Society for the Promotion of the Egyptian Museum Berlin

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Reports Chronological (text sometimes only in German)

Aug. 2005: Sudan: A giant puzzle - Temple 200 in Naga

Nach zwei Kampagnen können wir für den etwas südwestlich vom Amuntempel gelegenen Tempel Naga 200 auf eine stattliche Anzahl von freigelegten Reliefblöcken blicken. Im Jahr 2004, als begonnen wurde, diesen Tempel auszugraben und zu dokumentieren, wurden im Vorbereich des Pylons ca. 250 Blöcke freigelegt, in der diesjährigen Kampagne 2005 kamen weitere ca. 730 größtenteils mit Dekor versehene Blöcke und kleine Fragmente hinzu, die teils vor dem Pylon, teils vor der östlichen Langseite des Tempels lagen. Mittlerweile sind vor dem Pylon in sieben Versturzlagen die Blöcke und Fragmente erfaßt, weggeräumt und der Bereich bis in Fundamenttiefe abgetragen worden. An der Ostseite wurden Blöcke in drei Steinlagen dokumentiert - hier ist die Arbeit jedoch noch nicht abgeschlossen. Die photographische Aufnahme der mit tief eingeschnittenem versenktem Relief dekorierten Blöcke erfolgt im Format 6/7 cm in schwarz-weiß, auf Kleinbilddiapositiven und digital.

Die Kartierung der Fundlage der einzelnen Blöcke - ein mühevolles Unterfangen, aber ein unerläßliches Hilfsmittel für die Rekonstruktion der Gesamtreliefs - ermöglicht es jetzt, die einzelnen Blöcke zu ganzen Figuren, ja ganzen Szenen zusammenzusetzen. Um dies überhaupt praktisch bewerkstelligen zu können, sind zunächst alle vorhandenen Photos und Diaabbildungen von Reliefblöcken auf einen annähernd gleichen kleinen Maßstab herunterkopiert worden. Je nach Fundlage und unter Berücksichtigung der Blockhöhe läßt sich mit diesen Schnipseln das Reliefdekor wie in einem Puzzle wiedergewinnen. Eine solche Vorgehensweise gibt natürlich nur einen Anhaltspunkt, ob Blöcke aneinander passen, die endgültige Verifizierung (oder Falsifizierung!) erfolgt dann am Original oder über die noch anzufertigenden 1:1 - Zeichnungen.

Es war schon in der Kampagne 2004 ganz offensichtlich (siehe aMun 22, S. 4-9), daß die Pylondekoration in groben Zügen als eine Kopie des - oder ein Vorbild für den (?) - Löwentempel(s) anzusehen ist. Wie bei diesem ist auf beiden Pylontürmen von Naga 200 eine königliche Figur (Abb. 1) in der programmatischen Pose des Erschlagens von Feinden (Abb. 2) zu erkennen. Links hält der König ein Schwert in der Hand, die die am Schopf zusammen gebündelten Feinde packt, rechts sind es neben einem Schwert noch Bogen und Pfeile (Abb. 3). Auf dem östlichen Pylonturm trägt der König die Doppelkrone, auf dem westlichen Turm ist es eine Federkrone. Auf beiden Pylontürmen steht auf der dem Eingang zugewandten Wandfläche je eine Götterfigur mit dem charakteristischen Schuppengewand (Abb. 4a, b). Diese Götterdarstellungen fehlen auf dem Pylon des Löwentempels. Wer diese Götter sind, läßt sich bisher noch nicht feststellen und damit auch nicht der eigentliche Tempelherr. Auch die königliche Figur des westlichen Pylonturms ist bislang noch unklar - es scheint sich allerdings wohl nicht um eine Königin zu handeln wie beim Löwentempel. Auf beiden Pylonteilen sind, wenn auch ikonographisch anders gestaltet, Gefangene attackierende Löwen zu erkennen. Einzelne Details der Darstellungen sind mitunter anders als beim Löwentempel, so die Sandalen des Königs auf dem östlichen Pylon (Abb. 5), die eine Entsprechung in einer Darstellung des Arikankharer, Sohn des Natakamani, aus Meroe haben (Katalog: Africa in Antiquity II, Brooklyn 1978, Nr. 125).

An architektonischen Details kann ein an drei Seiten des Pylonturms umlaufender Rundstab mit anschließendem, leicht erhabenem Streifen zur Bildfeldbegrenzung identifiziert werden, außerdem die z.T. noch in situ befindliche Sockelzone mit den Feindpersonifikationen auf Schilden (siehe aMun 22, Abb. S. 8). Auch die Begrenzung nach oben läßt sich definieren: über der an die Außenecken gerückten geflügelten Sonne folgt ein vorspringender Sternenfries, der Rundstab und ein Ornamentfries aus einer Abfolge von kleinen Götterfiguren, Vögeln und Kartuschen auf Goldzeichen. Den Abschluß bildet eine große Hohlkehle. Im Ornamentfries des östlichen Pylonturms ist auch eine gut lesbare Kartusche mit dem Namen des Königs Amanikhareqerem erhalten (siehe aMun, 23, S. 12 f.), was zumindest die Dekorierung des Tempels 200 in seine Regierungszeit nahelegt. Andere Inschriftblöcke mit Beischriften sind zur Zeit noch nicht exakt verortbar.
Bei der Freilegung des Pylonfundaments stellte sich zum Erstaunen aller Grabungsteilnehmer heraus, daß dieses z.T. mit wiederverwendeten reliefierten Blöcken aufgebaut ist. Damit können jetzt auch die merkwürdigen, hinten z.T. verputzten Halbrundblöcke mit ebener Relieffläche vorne eine Erklärung finden. Es handelt sich mit Sicherheit um wiederverwendete Säulenteile eines anderen Bauwerks oder eines Vorgängergebäudes, die halbiert worden waren und deren Rundung dann im Mauerwerk verschwand. Es lassen sich so auch die Blöcke erklären, die auf mehr als einer Seite Reliefspuren aufweisen. Sie stammen nicht, wie ursprünglich angenommen, von schmalen, beidseitig dekorierten Wänden, sondern sind vermutlich ebenso sekundär verwendete Bauteile.

Neben dem bekannten Dekorprogramm des Pylons tauchen weiterhin vermehrt Reliefblöcke auf, die aufgrund ihres Formats, der Reliefgröße und des Fundorts ebenfalls zum Pylon zu gehören scheinen, aber nicht zum Hauptmotiv gehören können, da sie Gewand- und Körperdetails von nur etwas kleineren Gestalten zeigen (Abb. 6a, b), die sich nicht in die bisher ermittelten Königs- und Götterfiguren einfügen lassen. Verschiedene Erklärungen bieten sich an: Es könnte sich um Blöcke des älteren Bauwerks handeln, die als Füllmaterial im Pylon verwendet wurden. Mit Vorbehalt ist auch zu überlegen, ob nicht auf jeder Pylonhälfte eine weitere Figur dargestellt gewesen sein kann (Gott? Göttin? Königin? Prinz?). Der verfügbare Platz bei einer Breite jedes Pylonturms von ca. 7,5 Metern könnte es möglich erscheinen lassen. Als weitere Anbringungsmöglichkeit sind auch die Seiten- und Rückflächen des Pylons in Betracht zu ziehen.

Die Rekonstruktionsversuche für die Ostseite sind bis auf einzelne 'joints' noch nicht sehr weit gediehen. Klar ist nur, daß eine Reihe von kleinformatigen Götter- und Königsfiguren dargestellt war, teils nach rechts und teils nach links orientiert. Im Unterschied zum Pylon sind die Steinmaße der Ostseite sehr viel kleiner. Eine Hohlkehle mit Fiederung bildet den oberen Wandabschluß an den Langseiten.
Die kommenden Grabungskampagnen werden nicht nur die Vervollständigung der Reliefdekoration der Außenwände erlauben, sondern auch Aufschluß über den Reliefschmuck der Innenräume in kräftigem Flachrelief geben, von dem an den Oberkanten der noch nicht freigelegten Wände zahlreiche Spuren erkennbar sind.

Josefine Kuckertz
(Artikel der Mitgliederzeitschrift aMun)

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